Entstehung und Entwicklung des Ansatzes der Präventionsnetzwerke gegen Kinderarmut in Baden-Württemberg

Bunte Bausteine mit bunten Spielfiguren

2013 bis Mitte 2018

Gestartet ist der Ausbau der Präventionsnetzwerke gegen Kinderarmut im Land im Rahmen der Erstellung des Ersten Armuts- und Reichtumsberichts für Baden-Württemberg etwa seit 2013. Mit Leuchtturmprojekten wurden durch die Stadtverwaltung Tübingen und den Verein Kinderchancen Singen e.V. in den Städten Tübingen und Singen erste Präventionsnetzwerke gegen Kinderarmut aufgebaut, die durch eine Förderung aus Landesmitteln unterstützt wurden und bis heute aktiv sind. Die zwei ersten Standorte wurden begleitet durch die renommierte Kinderarmutsforscherin Gerda Holz vom Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik e. V. (ISS) in Frankfurt/Main. Eine Auswertung des ISS findet sich im Ersten Armuts- und Reichtumsbericht, der im Jahr 2015 veröffentlicht wurde.

Von Anfang an am Prozess der Entwicklung des Ansatzes der Präventionsnetzwerke beteiligt ist die FamilienForschung im Statistischen Landesamt. Beratend tätig ist der Landesbeirat für Armutsbekämpfung und Prävention Baden-Württemberg, der sich aus den im Sozialbereich tätigen Verbänden, den sozialpolitischen Sprecherinnen und Sprecher der Landtagsfraktionen sowie den fachlich beteiligten Ministerien zusammensetzt.

In den Jahren 2017 und 2018 erarbeiteten die Städte Mannheim und Singen als erste auf Grundlage des Ansatzes der Präventionsnetzwerke gegen Kinderarmut eine kommunale Gesamtstrategie gegen Kinderarmut. Ein weiterer Standort zur Erprobung des Ansatzes wurde in diesem Zeitraum die Stadt Pforzheim.

Ende 2018 bis 2022 

Im Rahmen des Förderaufrufs „Aktiv und gemeinsam gegen Kinderarmut und für Kindergesundheit“ wurden von Ende 2018, zum Teil bis Mitte 2021, Präventionsnetzwerke gegen Kinderarmut mit dem Schwerpunkt Gesundheit an sechs Standorten gefördert: der Ortenaukreis, der Landkreis Ravensburg, der Stadtkreis Stuttgart sowie die Städte Schorndorf, Singen und Ulm. Der Förderaufruf war eine direkte Konsequenz aus den Ergebnissen des GesellschaftsReports Baden-Württemberg mit dem Titel „Familienarmut – ein Risiko für die Gesundheit von Kindern“ (Ausgabe 3/2018). Denn während der Großteil der Heranwachsenden in Baden-Württemberg gute Chancen hat, gesund aufzuwachsen, haben insbesondere die knapp 20 Prozent armutsgefährdeter Kinder und Jugendlichen ein höheres gesundheitliches Risiko und damit geringere Chancen auf ein gesundes Leben.

Zwei weitere Präventionsnetzwerke haben auf Grundlage des Förderaufrufs „Aktiv und gemeinsam gegen Kinderarmut und für Teilhabe und Beteiligung von Kindern und Jugendlichen“ im Dezember 2019 die Arbeit aufgenommen: im Landkreis Lörrach und in der Stadt Mannheim. Der Förderaufruf ist vor dem Hintergrund der Ergebnisse des im Jahr 2019 erschienenen GesellschaftsReports Baden-Württemberg mit dem Thema „Politische und gesellschaftliche Teilhabe von Armutsgefährdeten“ veröffentlicht worden.

Im Rahmen des Förderaufrufes „Präventionsnetzwerke gegen Kinderarmut – Erkennen und Weiterentwickeln von lokalen Präventionsketten“ wurden weitere neun Standorte, konkret die Stadtkreise Heilbronn und Pforzheim sowie die Landkreise Ravensburg, Karlsruhe (2), Rems-Murr, Konstanz, Tübingen und Esslingen, für einen Zeitraum von zwei Jahren gefördert (Dezember 2020 bis November 2022). Hier werden neue Strukturen für Präventionsnetzwerke gegen Kinderarmut geschaffen und weiterentwickelt. Neben Gesundheit oder Teilhabe werden an den Standorten Handlungsfelder wie Familienbildung, Sprache und Spracherwerb, Bildung und Übergänge, Wohnen und Sozialraum in den Blick genommen.

Im Jahr 2021 wurde erneut eine Ausschreibung zur Förderung von Präventionsnetzwerken gegen Kinderarmut veröffentlicht. Weitere acht Standorte in Baden-Württemberg konnten für den Aufbau bzw. die Weiterentwicklung von Präventionsnetzwerken gegen Kinderarmut mit Landesmittel für einen Zeitraum von zwei Jahren gefördert werden. Es handelt sich um Präventionsnetzwerke in den Stadtkreisen Freiburg und Heilbronn sowie in den Landkreisen Esslingen, Göppingen, Heilbronn, Rottweil, Tübingen und dem Ortenaukreis. Mit etwas zeitlicher Verzögerung wurde auch ein Präventionsnetzwerkaufbau im Ostalbkreis bewilligt.

Auch im Jahr 2022 wurde ein entsprechender Förderaufruf (PDF) veröffentlicht und zehn Standorte in Baden-Württemberg (PDF) haben eine zweijährige Förderung zum Aufbau oder zur Weiterentwicklung eines Präventionsnetzwerks gegen Kinderarmut begonnen. Dazu gehören Standorte in den Stadtkreisen Heilbronn, Karlsruhe, Mannheim, Pforzheim und Ulm sowie in den Landkreisen Calw, Schwäbisch Hall und Tübingen. Erstmals ist auch eine kleinere Gemeinde, die Gemeinde Ammerbuch, im Landkreis Tübingen Teil der Landesförderung.

2023 bis heute

Im Koalitionsvertrag 2021-2026 der Landesregierung wurde die flächendeckende Einrichtung von Präventionsnetzwerke gegen Kinderarmut als Ziel formuliert: "Wir wollen, dass bis 2030 in allen Stadt- und Landkreisen Präventionsnetzwerke gegen Kinderarmut etabliert sind. Bereits bestehende Präventionsnetzwerke wollen wir weiterhin finanziell unterstützen." Diese Festlegung wertete die Arbeit der bestehenden Präventionsnetzwerke deutlich auf und eröffnete Perspektiven für die Förderpraxis. Neben der bisherigen Förderung wurde bereits gut etablierten Netzwerken die Möglichkeit gegeben, die erreichte Erfahrung zu nutzen und das Angebot mit der Unterstützung des Landes zu verstetigen.

Im Jahr 2022 wurde dementsprechend die Fördersystematik weiterentwickelt und ergänzt. Rechtsgrundlage für die Förderung ist seitdem die am 1. Januar 2023 in Kraft getretene Verwaltungsvorschrift des Sozialministeriums über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung von Präventionsnetzwerken gegen Kinderarmut (VwV PNetz) (PDF). Es handelt sich um eine für Kommunen und gemeinnützige Organisationen attraktive, transparente und verlässliche Fördersystematik mit drei Förderstufen: Förderbaustein PNetzAufbau, Förderbaustein PNetzwWeiterentwicklung und Förderbaustein PNetzVerstetigung.

Förderung von Präventionsnetzwerken gegen Kinderarmut

Im ersten Förderjahr (2023) der VwV PNetz kamen drei neue Standorte hinzu (Förderbaustein PNetzAufbau): Stadt Baden-Baden, Stadt Künzelsau, Landkreis Reutlingen. Für die bereits aufgebauten Standorte Stadt Bruchsal zusammen mit Stadt Philippsburg, Landkreis Esslingen, Stadt Freiburg im Breisgau, Stadt Göppingen, Stadt Neckarsulm (Caritas Heilbronn-Hohenlohe), Ostalbkreis, Stadt Rottenburg am Neckar (Mokka e.V. Rottenburg) und Stadt Schramberg-Talstadt (Caritas Schwarzwald-Alb-Donau) startete 2023 die Förderung mit dem Baustein PNetzwWeiterentwicklung. Erstmal kam 2023 der neue Förderbaustein PNetzVerstetigung zum Tragen, bei den bereits gut etablierten Standorten Landkreis Lörrach, Ortenaukreis, Stadt Schorndorf, Stadt Singen zusammen mit Kinderchancen Singen e.V., Stadt Tübingen.

Im Jahr 2024 startete der Landkreis Biberach mit dem Förderbaustein PnetzAufbau. In den Förderbaustein Weiterentwicklung waren die Standorte Landkreis Enzkreis, Stadt Karlsruhe, Stadt Ludwigsburg, Landkreis Ravensburg und Landkreis Schwäbisch Hall gewechselt. Besonders erfreulich war die zunehmende Anzahl an Standorten im Modul PNetzVerstetigung: Diakonie Heilbronn, Ortenaukreis, Stadt Pforzheim, Stadt Schorndorf, Stadt Singen, Stadt Tübingen, Stadt Ulm.

In den Jahren 2024/25 hat das Sozialministerium eine Werbekampagne durchgeführt und viele der noch nicht beteiligten Kreise vor Ort besucht, um Gespräche mit den Akteurinnen und Akteuren zu führen. Das hat dazu geführt, dass im Jahr 2025 zwei neue Standorte mit der Förderung im Baustein PNetzAufbau begonnen haben: Rhein-Neckar-Kreis und Caritas Schwarzwald-Gäu (im Landkreis Böblingen). Den Zuschlag für die Förderung im Modul PNetzWeiterentwicklung erhielten folgende Standorte: Stadt Künzelsau zusammen mit AWO Öhringen, Landkreis Esslingen, Landkreis Reutlingen zusammen mit Stadt Reutlingen, Landkreis Göppingen zusammen mit Stadt Göppingen, Stadtkreis Baden-Baden. 13 von 28 Standorten, also fast die Hälfte, sind seit 2025 bereits in der Verstetigungsphase - eine wachsende Gruppe mit den folgenden Standorten: Diakonie Heilbronn (im Stadtkreis Heilbronn), Caritas Heilbronn-Hohenlohe (in Stadt Neckarsulm), die Städte Schorndorf und Singen, die Stadt Bruchsal zusammen mit Stadt Philippsburg, die Stadtkreise Freiburg, Mannheim, Pforzheim und Ulm, die Landkreise Lörrach, Ortenaukreis und Ostalbkreis. Darüber hinaus haben sich in einem zweijährigen Findungsprozess die vier Standorte im Landkreis Tübingen (Stadt Tübingen, Stadt Mössingen, Gemeinde Ammerbuch, Nero Rottenburg e.V.) aufeinander zubewegt und ein gemeinsames Präventionsnetzwerk gegen Kinderarmut unter dem Dach des Paritätischen Landesverbands gegründet.

Derzeit bestehen somit Standorte mit Präventionsnetzwerken gegen Kinderarmut in 28 von 44 Stadt- und Landkreisen.